Ausflüge im Kostüm

Sich Freiräume zu schaffen und aus dem Alltag auszubrechen, das war ein wichtiges Ziel der Gruppenausflüge im Kostüm, die Michael Raimann organisierte. Fotografisch festgehalten sind eine Radtour im Sommer nach Bernau (zirka) 1982 und ein Tagesausflug nach Leipzig 1983.

Michael Raimann erinnert sich: „Die Idee war, im Sommer mal verkleidet mit dem Fahrrad von Oranienburg nach Bernau zu fahren und zwar durch Wandlitz, da wo die Partei-Bonzen gewohnt haben – da sind wir sind dann aber nur in der Nähe vorbeigefahren, nicht direkt. Das war auch nicht unsere Absicht, unsere Absicht war, einfach ganz schräg einen schönen verrückten Ausflug zu machen (…) Einige lesbische Freundinnen sind extra aus Leipzig angereist, weil sie die Idee so toll fanden mit dem Fummel durch die Gegend zu kutschen. Wir hatten unseren Spaß auf dem Fahrrad mit Hacke-Pumps und mit Strapsen, das war eine geniale Geschichte. Und die Leute waren uns sehr gut gesonnen auf dem Land, wenn wir durch die Dörfer gefahren sind, dann haben die uns zugewunken (…) Wir haben uns jedenfalls köstlich amüsiert und das war das Wichtigste, denn die DDR war ja nun nicht gerade ein Land, wo man sich jeden Tag frei ausleben konnte und wir haben uns diese Freiräume gemacht und das war einer dieser Freiräume.“

Das Foto das noch vom Radausflug erhalten ist, zeigt die Ausflugsgruppe vor einem Gasthof.

Michael Raimann erzählt dazu: „Das war ein Gasthof, wo wir eingekehrt sind und die Leute waren so begeistert, die haben uns dann ins Ohr gelegt: ‚Ach die Staatsoper macht wohl nen Ausflug.’ Das haben wir dann übernommen und überall erzählt (…) Uns war es jedenfalls wichtig, dass wir unseren Spaß hatten und aus dem Alltag ausbrechen konnten. Wenn ich dann gesagt habe, wir organisieren jetzt mal so was, dann sind die alle ausgeflippt und waren dabei. Meine Wohnung in der Schönhauser Allee war dafür ja auch ein Treffpunkt (…) und das hat sich dann halt rumgesprochen.“

Der zweite Ausflug, von dem es noch Fotos gibt, fand 1983 statt und war eine Tagestour vom Ost-Berliner Hauptbahnhof nach Leipzig – im Fummel.

Michael Raimann hierzu: „Einige aus der Gruppe haben sich nicht getraut, im Fummel zu fahren (…) aber wir hatten mit niemanden unterwegs Probleme deswegen, die Leute waren uns sehr gut gesonnen, es gab den einen oder anderen, der was Böses gebrabbelt hat, aber insgesamt gar nicht. Das liegt daran dass die DDR auf jede freundliche Abwechslung gut eingestellt war – also die Leute.“

Nur der Schaffner schien überfordert. Michael Raimann erzählt: „Der Schaffner hat die Tür aufgemacht – da erinnere ich mich heute noch dran: Wir saßen in dem Abteil, der hat die Tür aufgemacht, hat reingeschaut und die Tür gleich wieder zugemacht und ist weitergegangen, wie Schockstarre und weg war er. Das muss für den ein so schrecklicher Anblick gewesen sein oder er wollte selbst mal gerne im Kostüm (…) Ich bin dann noch eine Nacht in Leipzig geblieben und bin dann am nächsten Tag in zivil zurückgefahren.“