Gab es in der Geschichte der DDR-Travestie auch Drag Kings oder Herrenimitatoren?
In der Geschichte der Travestie standen vor allem Damen-Imitatoren im Rampenlicht, während Herren-Imitatoren eher selten auftraten. Ein prominentes Beispiel für eine Künstlerin, die Männerrollen verkörperte, ist Claire Waldoff aus der Weimarer Republik.
Während Damenimitatoren, Drag Queens und Tunten schon lange einen festen Platz in der deutschen Travestie haben, entwickelte sich die Bewegung der Drag Kings in Deutschland erst um das Jahr 2000. Obwohl der Begriff Drag King sich in Deutschland recht spät etablierte, reicht die Tradition weit zurück, dass Frauen zum Beispiel in Theatern Männerrollen spielen. In der DDR wurden englischsprachige und westliche Begriffe wie Drag King oder Drag Queen eher nicht verwendet.
Dennoch fanden in der DDR Travestie-Veranstaltungen statt, bei denen Frauen – oder als Frauen gelesene Menschen – gemeinsam mit schwulen Männern und Tunten auftraten. Einige dieser Frauen übernahmen Herrenrollen, teils mit angeklebtem Bart. Sie als Drag Kings zu bezeichnen, würde vermutlich ihre damalige Selbstbenennung nicht treffen. Unter Butches war in der DDR oft die Selbstbenennung Bubis verbreitet. Ein Beispiel ist Rita Thomas, bekannt als Tommy, die in „Herrenrollen“ auf Bühnen, Feiern oder zu anderen Anlässen zu sehen war.
Tommy lebte Beziehungen zu Frauen offen aus und besuchte regelmäßig Lesbenabende in den Homosexuellenlokalen West-Berlins. Nach dem Mauerbau 1961 richtete Tommy die eigene Wohnung in Berlin-Friedrichshain als Treffpunkt für homosexuelle Frauen und Männer ein. 1973 gründete Tommy mit anderen die Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin (HIB) und war aktiver Teil des Kabaretts Hibaré.