Paralleler Zeitstrahl zur queeren Geschichte
in der DDR und der BRD (1946–1990):
Rechts zeigt der Zeitstrahl queere Ereignisse und Entwicklungen in der DDR, links jene in der BRD.
In der Mitte stehen zentrale politische Ereignisse der beiden Staaten, die den historischen Kontext geprägt haben.
1949
23. Mai 1949 : Gründung der BRD
Am 23. Mai 1949 wird mit der Unterzeichnung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Konrad Adenauer (CDU) wird der erste Bundeskanzler. Die Gründung wird von den westlichen Alliierten unterstützt, während der Kalte Krieg beginnt.
1949
7. Oktober 1949 : Gründung der DDR
Am 7. Oktober 1949 wird die DDR gegründet, als Reaktion auf die Gründung der Bundesrepublik. Sie entsteht aus der sowjetischen Besatzungszone und wird von der Sowjetunion unterstützt. Die DDR ist ein sozialistischer Staat, regiert von der Einheitspartei SED. Wilhelm Pieck wird der erste Präsident.
1950
8. Februar 1950 : Gründung der Stasi
(Staatsministerium für Staatssicherheit, MFS)Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), kurz Stasi, ist der Geheimdienst der DDR. Die Stasi wird am 8. Februar 1950 gegründet und bleibt über 40 Jahre aktiv. Während der friedlichen Revolution im Herbst 1989 wird sie entmachtet. Die Stasi sieht die schwul-lesbische Bewegung als vom Westen beeinflusst und überwacht viele Aktivist*innen. Wird ein Mitarbeiter der Stasi als homosexuell enttarnt, wird er offiziell aus „gesundheitlichen Gründen“ entlassen.
1953
Volksaufstand in der DDR
Am 17. Juni 1953 kommt es in der DDR zu Massenprotesten und Streiks. Die Demonstranten fordern unter anderem freie Wahlen und den Rücktritt der Regierung. Die Sowjetarmee beendet den Aufstand mit Panzern.
1955
Beitritt der BRD in die Nato
Durch den Deutschlandvertrag wird die BRD wiederbewaffnet und tritt der NATO bei. Die DDR wird Teil des Warschauer Pakts. Damit gehören die BRD und die DDR zwei gegnerischen Militärbündnissen an.
1956
1. April 1956 : Gründung BND (Bundesnachrichtendienst)
Am 1. April 1956 wird die Organisation Gehlen, unter Leitung des ehemaligen Wehrmachts-Generalmajors Reinhard Gehlen, offiziell in den Dienst der Bundesrepublik übernommen und in Bundesnachrichtendienst (BND) umbenannt. Im Kalten Krieg gelten Homosexuelle als Sicherheitsrisiko, da man sie als erpressbar ansieht. Sie werden daher auf beiden Seiten als ungeeignet für Positionen in Politik, Militär, Polizei oder Geheimdiensten betrachtet.
1956
21. Juli 1956 : Einführung der Wehrpflicht in der BRD
Am 21. Juli 1956 wird in der Bundesrepublik ein Gesetz verabschiedet das Männer zum Wehrdienst verpflichtet. Ab 1960 kann als Alternative der Zivildienst geleistet werden. Homosexuelle Wehrpflichtige erleben in der Armee oft Diskriminierung und leben in Angst vor einem Outing. Eine Offizierskarriere in der Bundeswehr ist bis Ende der 1990er Jahre nur möglich, wenn man nicht als homosexuell oder queer bekannt ist.
1961
13. August 1961 : Mauerbau
Die innerdeutsche Grenze zwischen der BRD und der DDR wurde von der DDR schon am 25. Mai 1952 geschlossen. In Berlin ist der Übergang von Ost- nach West-Berlin jedoch noch länger möglich. Das ändert sich in der Nacht zum 13. August 1961, als die SED-Führung die Übergänge sperren und eine Mauer errichten lässt. Ziel ist es, die Abwanderung gut ausgebildeter DDR-Bürger und Bürgerinnen zu stoppen. Die DDR-Offiziellen nennen die Mauer „antifaschistischer Schutzwall“. Sie wird zu einem der bekanntesten Symbole des Kalten Krieges und der deutschen Teilung.
1962
21. Januar 1962 : Einführung der Wehrpflicht in der DDR
Am 21. Januar 1962 führt die DDR die allgemeine Wehrpflicht ein. Ein Recht auf Verweigerung gibt es bis zum Ende der DDR nicht. Ab 1964 können Männer, die den Waffendienst verweigern, ihren Wehrdienst als Bausoldaten leisten. In der Nationalen Volksarmee (NVA) wird das Thema Homosexualität totgeschwiegen und erst 1988 wird es im DDR-Verteidigungsministerium einen schriftlicher Entwurf zum möglichst diskriminierungsfreien Umgang mit homosexuellen Soldaten geben.
1968
APO und Studierendenproteste in der BRD
Am 11. April 1968 wird in Berlin ein Attentat auf Rudi Dutschke, den Anführer der Studentenbewegung, verübt. Daraufhin eskalieren die Proteste, und die bis dahin friedliche Bewegung wird zur Revolte, die fast alle Universitätsstädte erfasst. Die Studierenden fordern eine intensivere Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, Reformen im Hochschulwesen. Sie protestieren gegen den Vietnamkrieg, atomare Aufrüstung und setzen sich für die sexuelle Revolution ein. Die „68er Revolution“ führt zu einem großen kulturellen und gesellschaftlichen Wandel in den USA und Westeuropa. In den 1950er Jahren leben viele Homosexuelle aus Angst vor sozialer Ächtung und strafrechtlicher Verfolgung im Verborgenen. Durch den Einfluss der 68er-Bewegung beginnt ein sozialer Wandel. Lesben und Schwule treten in der BRD verstärkt in die Öffentlichkeit, fordern gleiche Rechte und organisieren eine sichtbare Homosexuellenbewegung.
1969
Neue Ostpolitik
Unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) führt die BRD eine “Neue Ostpolitik” ein, um die Beziehungen zur DDR zu verbessern.
1971
3. Mai 1971 : Machtwechsel an der Spitze der DDR
Ein innerer Konflikt in der SED führt 1971 zu einem Machtwechsel. Erich Honecker ersetzt Walter Ulbricht als Generalsekretär der SED. Am 3. Mai 1971 tritt Ulbricht „aus gesundheitlichen Gründen“ von seinen Ämtern zurück und wird mit Zustimmung der Sowjets von Honecker abgelöst.
1973
28. Juli bis 5. August 1973 : Weltjugendspiele in Ost-Berlin
Vom 28. Juli bis 5. August 1973 finden in Ost-Berlin die X. Weltfestspiele der Jugend und Studierenden statt – geplant als große Propagandaveranstaltung der DDR-Führung. Rund acht Millionen Menschen kommen zusammen, darunter über 25.000 Schüler und Studierende aus 140 Ländern. Die DDR will sich als liberal und weltoffen präsentieren und die Unterstützung der Jugend für die SED-Politik zeigen. Doch viele Jugendliche nutzen die Gelegenheit, um sich mit Gleichaltrigen aus aller Welt, besonders aus dem Westen, auszutauschen. Berlin erlebt neun Tage voller Musik, Diskussionen und Feiern bis in die frühen Morgenstunden.
1976
16. November 1976 : Ausbürgerung von Wolf Biermann
Die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann im November 1976 wird zu einem Symbol für Unfreiheit und Erstarrung. Während Biermann ein Konzert in Köln gibt, wird er von der DDR-Führung ausgebürgert. In einer beispiellosen Aktion fordern Künstler*innen in der DDR die Rücknahme der Maßnahme. Sie schreiben einen offenen Brief, der für die meisten Unterzeichnenden zu erheblichen Konsequenzen führt (Verhaftungen, Hausarreste, Strafverfahren, Aufführungsverbote). Dies führt wiederrum in Ost- und Westdeutschland zu breiten Protesten.
1989
Herbst 1989 : Montagsdemonstrationen gegen die SED
In der DDR haben sich vermehrt oppositionelle Gruppen aus unterschiedlichen Bewegungen gebildet (z.B. Friedensbewegung, Umweltschutz, Wahlbeobachter*innen, Bürgerrechtler*innen). Im Jahr 1989 gibt es vermehrt Proteste gegen das SED-Regime. Ein zentraler Teil der Friedlichen Revolution sind die Montagsdemonstrationen, die ab dem 4. September 1989 in Leipzig beginnen. Auch in anderen DDR-Städten finden regelmäßig Massendemonstrationen statt. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ fordern Hunderttausende DDR-Bürger und Bürgerinnen eine demokratische Neuordnung, das Ende der SED-Herrschaft, Reisefreiheit und die Abschaffung des Ministeriums für Staatssicherheit. Mit der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze wird die Abwanderung von DDR-Bürger*innen in den Westen zu einem Massenphänomen.
1989
9. November 1989 : Fall der Mauer
Die Mauer trennt die BRD und die DDR und wird streng bewacht. Sie gilt als nahezu unüberwindlich und ist ein abschreckendes Symbol des Ost-West-Konflikts sowie der deutschen Teilung. Am 9. November 1989 reagiert die DDR-Regierung mit Reiseerleichterungen auf den Ausreisestrom und monatelange Massenproteste. Die Mauer in Berlin fällt, nach über 28 Jahren, was sowohl in West- als auch in Ostdeutschland ausgiebig gefeiert wird.
1990
3. Oktober 1990 : Einigungsvertrag zwischen DDR und BRD
Am 3. Oktober 1990 wird die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vertraglich vollzogen. Die DDR hört auf zu existieren. Vielen ehemaligen DDR-Bürger*innen fühlen sich im Prozess der Wende und der deutsch-deutschen Vereinigung nicht gehört und übergangen. In den Jahren nach der Wende müssen sich viele Menschen in Ost-Deutschland mit gravierenden Einschnitten in ihrem Leben auseinandersetzen, wie der Entwertung bisheriger Berufs- und Lebensleistungen und rasant steigender Arbeitslosigkeit.
Der Zeitstrahl umfasst über 40 Jahre Bewegungsgeschichte mit dem Schwerpunkt auf Ost- und West-Berlin. Dabei erhebt er keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Richtigkeit, ein solcher Zeitraum kann nicht lückenlos dargestellt werden.
Habt ihr Anmerkungen, Korrekturen oder Ergänzungen? Dann meldet euch gerne unter: kontakt@travestie-in-der-ddr.de
Auf die Arbeit und Seiten folgender Autoren stützt sich der Zeitstrahl insbesondere:
Autor: Olaf Brühl:
http://www.olafbruehl.de/chronik.htm#16.5.%6075
Autor: Peter Rausch:
http://www.raunitz.de/hibchron.html
Autoren: Dr. Christian Könne & Wolfgang Knapp:
https://www.vom-anderen-ufer.de/gesellschaft/homosexualitaet-in-der-ddr/
https://www.vom-anderen-ufer.de/gesellschaft/homosexualitaet-in-der-deutschen-gesetzgebung/
https://www.vom-anderen-ufer.de/gesellschaft/schwule-und-lesben-in-der-ddr/
Alle weiteren genutzten Quellen sind im Zeitstrahl verlinkt und im Impressum aufgelistet.